Empathie – Endlich eine brauchbare und ballastfreie Definition

Visits: 519

Empathie ist eines der Lieblingsworte des New Age. Sicher gestützt durch den Mahayana Buddhismus, die unermüdliche Arbeit des Dalai Lama und des Öko Feminismus und natürlich auch hier durch die Neuro Wissenschaften. Leider mit zu wenig Hirn und Verstand.

Im Einzelnen. Der New Age neigt dazu sich von der Idee des Verschmelzens leiten zu lassen. Aus einem klar deffinierten Ich und DU wird ein kollektives und völlig unklares WIR.

Die Affinität zu und geradezu die Sehnsucht nach Kommunion ist seit Carol Gillighan und später mit Ken Wilber dem weiblichen Typus zugeordnet, der dann auch Empathie für sich beansprucht hat bzw. die Beschwerde über einen Mangel an dieser.

Merkwürdiger Weise wird nicht mehr zwischen Empathie und Konfluenz getrennt. Diese wesentliche Unterscheidung kommt aus den 80ern m.W. von Fritz und Laura Perls und ist bis heute fester Bestandteil jeder Gestalttherapeuthischen Ausbildung.

In meinen Worten:

Konfluenz ist, wenn mich die Geschichte des anderen zu Tränen rührt. Also meine eigene oft verborgene Geschichte resoniert und ich mit dem anderen “zusammen fliesse”

Das hat was, gerade wenn man/frau stolz auf ihre Fähigkeit zu Emotion ist, lässt aber wesentliche Möglichkeiten ungenutzt.

Im gleichen Fahrwasser sind die Neurowissenschaften mit der Vermarktung der Entdeckung von “Spiegelneuronen” – die per Deffinitionem eher den Automatismus oder die Fähigkeit zur Konfluenz und NICHT zur Empathie belegen.

 

Der Mahayana Buddhismus hat zu Empathie eine sehr differenzierte und tief greifende Sicht, die allerdings für den Westen seit Jahren in eine reduzierte und stark vereinfachte Form gebracht wird und die, in hübsche handliche Päckchen verpackt, quasi in Augenhöhe in der Auslage jedes new age shops liegt. Liebe und Mitleid als personal und global game changer.

Dahinter liegt das sog. Bodhisattwa Ideal als zentrale Idee des Mahayana. Im persönliche Bereich repräsentiert durch das Bodhisattwa Gelübde. In der alten Formulierung: auf die Auflösung des Kreislaufs der Wiedergeburten zu verzichten – also auf die persönliche Erlösung die im alten Buddhismus das zentrale Thema war- zugunsten aller empfindenden Wesen.

Diese Haltung gipfelt -und wird zugleich ausdifferenziert- in den sogenannten catur apramana, den “Vier Unermessslichkeiten”, die Entwicklungsgeschichtlich vermutlich bis weit in den Hinduismus hineinragen.

maitri, karuna, mudita und upeksha

Liebe, Mitleid, Mitfreude und Gleichmut

Die Idee von Liebe und Mitgefühl ist also wesentlich komplexer als seine reduktionistischen Teilchen glauben machen wollen und wird meist getragen von upeksha, dem letzten der vier Begriffe, der soviel wie eine Haltung von Gleichmut bedeutet und auch erst daraus verständlich und vollständig. Die catur apramana verbieten damit emotionale Exzesse von vorne verbieten und bringen das ganze weg von Konfluenz in einen sehr viel größeren Zusammenhang, der genau genommen sogar unermeßlich ist…

Umfassend zu dem Thema mal wieder Alexander Berzin.

Empathie entgleist also leicht  ohne die anderen Faktoren. Genauso wie Liebe ohne Weisheit. Chögyam Trungpa hat in dem Zusammenhang immer wieder von “Idiot Compassion” gesprochen. Ein Begriff der leider in Vergessenheit gerät.

 

Was bleibt also?

Empathie ist zuerst einmal die Fähigkeit mit dem zu sein, was gerade (im Gegenüber/Patienten) ist. Ohne der Versuchung nach zu geben ihn zu therapieren, zu retten, zu beweisen dass ich ein guter Freund/Coach/oder würdiger Nachfolger von Mutter Theresa bin…

Sehr schön dazu Oriah Mountain Dreamer

I want to know if you can sit with pain, mine or your own, without moving to hide it, or fade it, or fix it.

I want to know if you can be with joy, mine or your own; if you can dance with wildness and let the ecstasy fill you to the tips of your fingers and toes without cautioning us to be careful, be realistic, remember the limitations of being human

Noch eine wesentliche Abgrenzung

Empathie ist nicht Mitleid (pity) – Empathie findet auf Augenhöhe statt und verbindet, Mitleid trennt und schafft eine Gefälle, ähnlich übrigens die viel beschworene “Toleranz” – auf die wir gemeinhin so stolz sind.

Wenn man den Mahayana mit dazu nimmt ist Empathie eine Aspiration, eine Haltung dafür, dass der andere (und ich selbst) frei von Leiden und der Wurzel oder Ursache des Leidens sein mögen (das Gegenteil davon ist Schadenfreude), die allerdings in Gleichmut erfolgt und gerade diese emotionalen Erschütterungen ausschließt, um die es heute immer wieder zu gehen scheint, wenn wir von Empathie sprechen.

 

Die brauchbarste / funktionalste Definition von Empathie

verdanke ich Günther Schricker, einem erfahrenen Systemischen Aufsteller und Therapeuten aus dem süddeutschen Raum

Empathie sei (für ihn, Günther) neugierig darauf zu sein (zu erfahren) was der Andere gerade (wirklich) braucht.

Diese Definition ist für mich so einfach wie genial und brauchbar.

  • Sie beinhaltet die Haltung der Catur Apramana, das Liebevoll Zugeneigt Sein ohne sein eigenes Gleichgewicht zu verlieren,
  • Sie erschließt im Sinne der Room To Move Prinzipien Neue Möglichkeiten
  • Sie verändert die Beziehungsebene oft dramatisch (wann hat Sie jemand das letzte mal gefragt (ehrlich gefragt) was Sie wirklich brauchen und ihnen den Raum gegeben, das aus zu sprechen oder im Sprechen zu finden? 
  • Sie ist wahrhaft grenzenlos:
    das funktioniert bei Kindern, Paaren, bei Fremden wie bei Freunden, in Gruppen, und im Unternehmen.
  • Sie ist eine “basic skill” für Führungskräfte und
  • Sie verändert die Kultur eines Unternehmens ähnlich schnell wie die Arbeit mit Integrität.  
  • Und sie ist ein hervorragendes “self realization tool”, also auf sich selbst angewandt ein Instrument um zu entdecken, was sie im Kern bewegt.

Einzige Voraussetzung ist Neugier – und daran kann es in einer Welt, die den Wert des Einzelnen daran bemisst, was er weiß (und nicht, wie er mit Nicht Wissen umgeht oder wie er lernt), schnell scheitern.

Und – vielleicht ein bisschen Demut: denn nur weil sie 15 Jahre mit jemanden zusammenleben oder ihre Sekrätärin 8 Stunden am Tag sehen, wissen sie vermutlich nichts darüber, was sie wirklich braucht. Bis sie ihn fragen….