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Die Tage sind durchsetzt mit Reaktionen auf Aktionen, denen wir uns ausgeliefert sehen. Allen voran Angst. Und aufrufen wie diesem Titel. Ich habe vor über 10 Jahren mal gelernt, dass das Gehirn keine Verneinungen erkennt. Würde das stimmen, dann würde aus dem Titel, Nur keine Angst ein sublimer Aufruf zur Angst – nur gut verpackt.

Das Thema ist spannend. Ich lade Sie ein mit mir einen genaueren Blick zu riskieren.

Man liest immer wieder, dass Angst natürlich ist. Angst sichert Überleben. Angst triggert den fight flight or freeze Reflex und neuerdings auch den “talk” Impuls. Wir scheinen unserer Angst mehr oder weniger ausgeliefert zu sein. Was wiederum Apostel gegen die Angst auf den Plan ruft…

Aber der Reihe nach.

Das Gehirn ist ein Meister darin, aus bruchstückhaften Informationen Bilder zusammen zu setzten um Risiken frühzeitig zu erkennen – es kann z.B. aus einem, in einiger Entfernung herumliegenden Gartenschlauch, ohne Probleme eine lebensbedrohliche Situation in Form einer Schlange konstruieren. Wir sind mit dieser Fähigkeit hard wired für Überleben. Das Dumme ist nur, dass sich heute in Mitteleuropa die meisten Schlangen als Gartenschläuche oder ähnliches entpuppen. Damit führt das, was uns einst Überleben garantiert hat, ganz klar zu unbrauchbaren oder zumindest nicht wirklich funktionalen Handlungsweisen.

Zum anderen ist der natürliche Reflex auf eine Bedrohung zuerst einmal nur eine gesteigerte Wachsamkeit. Der Zustand in dem alle Sinne geschärft sind und das Adrenalin durch die Adern pumpt. Dieser Zustand führt zu unmittelbaren Reaktionen. Menschen die ihn erleben berichten übereinstimmend, dass sie gar nicht daran gedacht hätten Angst zu haben oder dass gar keine Zeit für Angst gewesen sei.

Erst wenn der “Psycho” ins Spiel kommt, taucht Angst auf. Angst braucht immer Bilder. In der Regel Bilder von drohendem Verlust. Allen voran natürlich der Verlust des eigenen Lebens, oder dem geliebter Menschen, Verlust von Körperteilen, Beweglichkeit, Verlust von Lebensqualität, Verlust von Komfort, Wohlbefinden, Arbeitsplatz, Einkommen, Vermögen, Freunden etc… Angst kann nur dort entstehen wo das Bild von Mangel auftaucht. Und dafür sind wir extrem anfällig.

Das Mittel dagegen ist nicht Psycho- oder Sozial- oder Politgerede, das den Kontext von Mangel in der Regel nur weiter verstärkt und damit auch den Nährboden von Angst.

Das Mittel dagegen ist die Wachsamkeit und das dramatisch verfeinerte Bewusstsein zu nehmen und damit die jeder Situation innewohnenden neuen Möglichkeiten zu entdecken. Das ist immer ein Kombination aus Presencing (Otto Scharmer) also dem Hinhören auf das, was jetzt gerade subtil auftauchen möchte und Kreativität – nämlich eine Wirklichkeit zu erschaffen, für die Sie persönlich einstehen wollen.

Das ist ernst gemeint und hier ist jeder einzeln gefragt. Sie müssen für sich persönlich entdecken, welche Möglichkeiten mit der Krise mitkommen um der Angst zu entkommen. Nur wenn ihre persönliche emergiernde Wirklichkeit kraftvoller wird als die Angst vor dem Verlust des Alten hat die Transformation eine Chance.

Mir scheint, dass dies in der aktuellen Diskussion, ja eigentlich schon seit Beginn der Flüchtlingskrise viel zu wenig, ja eigentlich gar nicht formuliert wird. Vermutlich gilt das universell für die meisten Krsen. Noch einmal:

  • Die Angst verschwindet, wenn der Kontext von Mangel transformiert ist.
  • Die Krise löst sich, wenn Sie entdecken, was auftauchen möchte (wenn Sie auf das Licht am Ende des Tunnels fokussieren)
  • Und wenn Sie für diese Neue Möglichkeit einstehen, kommt die Kraft zurück. 

Vorausgesetzt, dass diese Neue Möglichkeit für Sie authentisch ist. Es muss funken, klicken, resonieren. Und hier unterscheidet sich der Maschinen / Vernunft Ansatz vom humanistischen Ansatz. Die neue Möglichkeit darf nämlich auch unvernünftig sein. Und mal ganz ehrlich, welches “vernünftige” Spiel macht schon Spaß…

Ich weiß, das ist anspruchsvoll und klingt zuerst einmal sehr theoretisch. Vielleicht braucht es ein wenig Zeit um mit dieser Perspektive vertraut zu werden. Um so mehr würde ich mich freuen, wenn Sie sich die Zeit nehmen könnten. Hier kommt es auf jeden Einzelnen an. Damit wir in Zukunft gemeinsam einen Beitrag leisten können um aus den sich häufenden Krisen mit ihren ständig wiederholten Angstspiralen etwas Sinnvolles zu gestalten und um den Demagogen und Manipulatoren ihren Treibstoff zu nehmen.